Franz Reschke Landschaftsarchitektur, Berlin
Verfasser: Franz Reschke
Mitarbeiter: Johanna König, Katharina Müller, Suzan Schwaner, Ana Beluse, Jacob Mayer, Felix Ridder, Claudia Köllner
Fachplaner: Isaplan Ingenieur GmbH
Die Planungsidee für den Johann-Peter-Boelling-Platz
Das heterogene Gefüge verschiedener Bauten aus unterschiedlichen Zeiten und die fehlende Gestaltung als Platz wirft Fragen auf, sorgt für fehlende Orientierung, lässt Aufenthaltsqualität vermissen. Es gilt die Dominanz des Verkehrs zu minimieren und die einzelnen Teile zusammenzubringen und in ihrer Mitte auszutarieren. Ausgehend von der Umlegung der TG-Zufahrt wird der Platz durch die umfassende Entsiegelung und verkehrliche Neuordnung als Bindeglied im Raumgefüge zwischen Hang und Stadt qualifiziert. Über die ca. 30 neuen Bäume erhält der Platz eine eigene Atmosphäre zwischen den unterschiedlichen Architekturen. Dabei bleibt der Platz auf Augenhöhe transparent und nutzungsoffen in seiner Mitte. Die Gebäude am Platz erhalten jeweils ein aus dem Bestand heraus entwickeltes Vorfeld und Entrée. Die Unterschiedlichkeit der Ränder ist dabei Prinzip. Die nutzungsoffene Platzmitte nimmt, von üppigen Stauden gerahmt, als ‘Grüner Salon’ temporär, wie alltäglich, saisonal wie langfristig, die Bespielung im Dialog mit den Gebäuden und Akteur:innen auf. Es entsteht ein lebendiger Stadtraum für den Alltag vor dem Gymnasium und besondere Tage zu Kunst- und Kulturanlässen. Die Wegebezüge zwischen dem Alten Markt, dem Kirchplatz und der Hindenburgstraße sowie den südlich und östlich anschließenden Freiräumen werden über den Platz geführt. ‘Gelassen entschleunigt’ in seiner Mitte wird der Platz zum Zielort für die Mittagspause, den Nachmittag, die Freistunde… Der Verkehr auf der Abteistraße wird auf einem minimalen, materialgleich ausgeführten Profil organisiert. Die Zufahrt zur TG wird von der Fassade abgesetzt vorgeschlagen um eine durchgehende Bewegung auf der Nordseite der Abteistraße zu gewährleisten.
Durch die leichte Anhebung der Topografie entstehen gute Baumstandorte für die ca. 30 Neupflanzungen auf dem Platz. die zusammen mit der Unterpflanzung mit Stauden relevant zur Abkühlung des Platzes beitragen. Dieser ist auch für eine Nutzung durch Kunst, Kultur und Bildung geeignet. Die Bespielung erfolgt in informeller Abstimmung zwischen den Akteur:innen. Die freie Möblierung kann gemeinsam organisiert werden. Die Museumswiese wird aus dem Bestand heraus entwickelt, einzelne Baum- und Strauchpflanzungen machen den Aufenthalt attraktiv(er). Das Gymnasium erhält einen großzügigen Zugang vom Platz aus. Ein großzügiger Bankstandort wird zum Treffpunkt vor der Schule. Der Aufzug von und zur TG wird hier wenig störend, direkt neben dem Treppenlauf in der TG verortet. Der Boelling-Garten wird erweitert und erhält einen vegetativen ‚Rücken‘ vor der Bebauung. Die Zufahrt zum Parkhaus bleibt auch weiterhin bestehen. Das Vorfeld des Hauses Erholung wird deutlich grüner, so kann die deutliche Topografie besser aufgenommenwerden. DiezweiBaumneupflanzungensind‚heikel‘,solltenjedochmind.geprüftwerden.AufderFlächeder ehemaligen Parkplätze südöstlich des Hauses werden ebenfalls umfassend Bäume (ausserhalb der Kontur des Kellers gepflanzt) die notwendigen Funktionen sichergestellt und vor allem – entsteht ein neuer öffentlicher Spielplatz. Die Abteistraße wird im Platzbereich materialgleich aber taktil abgesetzt gestaltet. Die Hindenburgstraße wird basierend auf dem anschließenden Freiraumentwurf, jedoch in ‚reduzierter‘ Baulichkeit weitergeführt. Rahmende Baum- und Staudenpflanzungen und frei geformte Bewegungsräume. Für den Platz an der Hindenburgstraße wird eine baumüberstandene wassergebundene Decke vorgesehen. Eine wohltuende Abwechslung in der Sequenz zwischen Sonnenhausplatz und Altem Markt. Die Krichelstraße wird als Gasse materialgleich zum Kontext gestaltet.
KlimaanpassungundRessourceneffizienz/Bauweise/Details/Ausstattung/ Wirtschaftlichkeit/SpieleninderStadt
Die Baumneupflanzungen und die Bestandsbäume auf dem Alten Markt werden versorgt über eine Schwammstadt für Bäume. Diese wird kombiniert hergestellt mit dem Tragschichtaufbau. Gesammelt und eingeleitet wird das Wasser über Straßenabläufe mit Filterschächten, optional im Trennsystem. Lokal wird der Stadtraum zusätzlich abgekühlt durch das bodengleiche Wasserspiel. Eine Reduktion des CO2-Fussabdruckes erfolgt durch den Verzicht auf gebundene Bauweisen, den Erhalt von Tragschichten wo möglich unddieVerwendung desvorhandenenPflastersbzw.voneuropäischembzw.regionalenMaterialien.DaszurVerfügungstehende Budget für die beiden Teilbereiche ist sehr knapp bemessen und setzt einen engen Rahmen für das Vorhaben. Generell ist es das Ziel ‚einfach und vernünftig‘ zu bauen und den ressourcenbezogenen Fussabdruck des Vorhabens gering zu halten, den Bestand wo möglich und sinnvoll mitzunehmen. Es wird eine robust-schlichte und gleichzeitig hochwertige Möblierung basierend auf einer Stahl- Holzkonstruktion vorgeschlagen. Diese Möbelfamilie wird situations- und anwendungsbezogen differenziert – als filigrane Bank mit Rückenlehne auf dem JPB sowie robuste profilierte Bank auf dem AM. Auch alle weiteren Ausstattungselemente werden schlicht und zurückhaltend gestaltet (Abfallbehälter, Fahrradbügel, und Leuchten). Die in Vorbereitung des Wettbewerbes dokumentierten Wünsche der Gladbacher BürgerInnen zeigen die Bandbreite der Lesarten, der Erinnerungen und Erwartungen an den zukünftigen Stadtraum. Die hohe Bedeutung des Platzes für das Zusammenleben wird dabei ebenso deutlich. Die übergeordneten Motive und Wünsche: eine grüne Innenstadt, erlebbares Wasser, das Aufgreifen der Historie des Ortes sowie der Wunsch nach Raum für Begegnung und Veranstaltungen werden in der Umgestaltung berücksichtigt und gestalterisch übersetzt.
Verkehr / Veranstaltungen / Beleuchtung / Barrierefreiheit / Wasser in der Stadt / Beleuchtung
Alle Bereiche des Alten Marktes und die Ränder des JPB-Platzes sind grundsätzlich bei Veranstaltungen und für Rettungsfahrzeuge befahrbar ausgelegt. Es werden dezentral Fahrradbügel an den verschiedenen Zielorten vorgesehen (inkl. Lade- oder Leihstation o.ä.). Märkte, Feste und Veranstaltungen finden auch zukünftig sehr gut ihren Platz auf dem Alten Markt. Die Platzmitte steht für die Durchführung von Märkten und Veranstaltungen sehr gut zur Verfügung. Bei Bedarf demontierbare Möbel und vorgehaltene Infrastruktur ermöglichen hohe Flexibilität in der Durchführung.
Es wird eine zurückhaltende Beleuchtung des Stadtraums vorgeschlagen. Hierfür werden im Sinne einer optimal blendfreien und emissionsminimierten Beleuchtung – sehr schlanke Mastleuchten vorgesehen (Lichtpunkthöhe ca. 5,5 m auf dem AM und 4,5 m auf dem JPB). Diese leuchten den Stadtraum gleichmäßig und blendfrei aus. Eine dezent rückwärtige Abstrahlung auf dem AM lässt die Bebauung zur leicht erhellten Kontur des Stadtraums im abendlichen Bild werden. Es wird eine wartungsarme und insektenfreundliche LED-Technik vorgesehen. In den Nachtstunden kann die Beleuchtung auf ein normgerechtes Mindestmaß reduziert werden. Die Anschlüsse für die Installation einer Weihnachtsbeleuchtung sind technisch berücksichtigt. Eine taktile Führung an den Rändern des Platzes wird über eine Fräsung im Belag gewährleistet. An den Übergängen zu Verkehrsflächen werden wo notwendig materialgleiche Auffangstreifen vorgesehen. Alle Bereiche des Platzes sind schwellenlos bzw. barrierefrei nutzbar.
Auszug aus der Beurteilung durch das Preisgericht
Das derzeit sehr heterogene Raumgefüge erhält eine neue Platzmitte mit Aufenthaltsqualität. Durch seine Neuordnung wird der Johann-Peter-Boelling-Platz zu einem wichtigen Bindeglied im Raumgefüge qualifiziert. Die drei wichtigen öffentlichen Gebäude Museum, Gymnasium und Haus Erholung erhalten jeweils einen angemessenen Vorbereich. Die Platzmitte wird zum ‚Grünen Salon‘ und bietet Aufenthalt für die Nutzenden der anliegenden Gebäude sowie für Passanten. (…)
Die mittige Platzfläche erhält durch die Rahmung mit Bäumen und Pflanzflächen einen intimen Charakter, ohne dem Platz seine Übersichtlichkeit zu nehmen. (…) Die zum Museum gehörige großzügige Wiesenfläche bleibt in ihrer räumlichen Ausprägung erhalten (…). Die zurückhaltende Qualifizierung der Fläche durch Baumneupflanzungen sowie Pflanzflächen stärkt deren Charakter. Das Entrée zum Haus Erholung wird grüner gestaltet, der vorhandene Höhenunterschied weiterhin durch eine Treppen- und Rampenanlage überwunden. Insgesamt werden die notwendigen Verkehrsflächen möglichst zurückhaltend gestaltet und in die arrondierte räumliche Figur eingeordnet. (…)
Insgesamt wird die vorliegende Arbeit von der Jury als sehr guter Beitrag zur Neuordnung der Flächen auf und um den Johann-Peter-Boelling-Platz betrachtet. Die neue Flächenaufteilung führt zu schlüssigen, räumlich angemessenen Situationen, der Platz erhält durch die Umgestaltung einen deutlichen Mehrwert.


